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Autorenbildlukasjurewicz

Triggerwarnung


„Das triggert mich gerade!“ Ein oft gehörter Satz, verstanden als Aufforderung eines Individuums an ein anderes, um ein Verhalten zu unterlassen, welches bestimmte, meist ungewollte Reaktionen, zu vermeiden versucht. Ein bedeutsames Zitat von Viktor Frankl, einem österreichischen Neurologen, Psychiater und Holocaustüberlebendem, welches oft in Achtsamkeitsseminaren gern und oft verwendet wird, wirft hierzu Folgendes in die Runde: „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“ Bewusst oder unbewusst wird analog zum Begriff Schlüsselreiz heutzutage das Synonym „Trigger“ verwendet und kann zur psychologischen Begrifflichkeit des Triggers insofern unterschieden werden, dass ein psychologischer Trigger emotionale Traumata unbewusst aufkommen lässt, die vordergründig keinen Bezug zur objektiven Realität haben. Die Betonung liegt hier jedoch dezidiert auf dem emotionalen Aspekt. Dazu aber später mehr.


Hört sich jetzt mal sehr hochgestochen an, ist aber einfacher zu verstehen, als man denkt. Man stelle sich mal den Dominoeffekt vor. Der Anstoß eines Steines setzt eine Kaskade in Bewegung, die die weiteren Steine zum Fallen bringt, bis die Reihe der Steine bis zum Schluss umgefallen ist. So verhält es sich auch bei sozialen Skripten, Automatismen und Ritualen. Diese Mechanismen geben Sicherheit und gewährleisten auch weiterhin eine Art kognitive Sparsamkeit. Der Mensch findet sich in einer Abfolge von Handlungen zurecht, die durch einen bestimmten Schlüsselreiz in einer bestimmten Situation zu einem bestimmten Zweck ausgelöst worden sind. Funktioniert überwiegend gut und man braucht nicht viel darüber nachzudenken. Grundsätzlich ist das auch nicht verkehrt. Der Mensch bewegt sich gerne in Sicherheit und mag unvorhersehbare Situationen nur bis zum bestimmten Maße. Bedenkt man jedoch, dass sich Zeiten, Umstände und Interaktionspartner ändern können sich solche Skripte im Laufe der Geschichte durchaus als dysfunktional und sogar toxisch erweisen. So können zum Beispiel die Eigenschaften eines People Pleasers in früheren Tagen sehr gute Dienste geleistet haben, um in sozialen Gruppen Anschluss zu finden, in einer kompetitiven Umgebung oder in der Self Care jedoch hinderlich sein.



Oft denken wir über Trigger und Initialreize nicht mehr nach: etwas passiert, wir reagieren. Ohne nachzudenken, spulen wir die Mechanismen ab, die wir erlernt oder die sich etabliert haben. Auch wenn diese Reaktionen nicht mehr den Umständen oder den Erfordernissen der Situation nicht mehr gerecht werden. Dabei haben wir es in der Hand. „Das, was du gerade tust, triggert mich!“ ist dabei eine Aussage, die zwei Hinweise für uns selbst geben sollte: Wir kennen den Auslöser für bestimmte Verhaltensmuster.  Doch was genau triggert uns? Was sind die Hintergründe des Triggers? Und welchen Freiraum sollte ich wo etablieren, um dieses Skript zu unterbrechen? So kommen wir nochmals zum eingangs erwähnten Punkt des emotionalen Triggers und einige damit einhergehenden Reaktionen.


Hierzu sei gesagt, dass Deine Emotionen immer berechtigt sind. Dein Verhalten aber nicht. Deine Wut ist berechtigt, Dein Gebrüll nicht. Deine Eifersucht ist berechtigt, Deine Wertung ist es nicht. Dein Schmerz ist berechtigt, Dein Eskapismus ist es nicht. Deine Sehnsucht nach menschlicher Nähe ist berechtigt, die Rückkehr in toxische Beziehungen ist es nicht.

Wir sollten emotionale Trigger von unserem Verhalten abkoppeln und damit den Freiraum für Wachstum schaffen, den Viktor Frankl gemeint hat. Unsere Emotionen sind immer berechtigt, egal wie wir uns fühlen. Unser Verhalten ist es aber nicht.


Dies sind Beispiele, für einige Trigger und deren Folgen. Zunächst bedeutet die Abfolge gewisser Handlungen in einem bestimmten Kontext auch die Erwartung eines bestimmten Ergebnisses. So weit so gut. Was ist allerdings, wenn sich der Kontext ändert? Sei es der gesellschaftliche oder kulturelle Hintergrund, dann bleibt das erwartete Ergebnis aus. Ein Kind an der Quengelkasse bekommt eher seinen Schokoriegel ohne eine nachvollziehbare Begründung als eine erwachsene Person eine Gehaltserhöhung durch einen Wutausbruch. In beiden Fällen möchte eine Person etwas haben. Ein Kollege kann durch Vortäuschung von Hilflosigkeit Arbeitsaufwand verhindern, indem andere seine Arbeit machen. Ein Selbstständiger verliert dadurch seine Existenz. Letztere Beispiele spiegeln dysfunktionale Verhaltensweisen die folgend an einen Trigger anschließen und deren Ergebnisse nicht die gewünschten sind. In der konditionierten subjektiven Realität entsteht eine gefühlt unbeherrschbare Situation. In vielen Fällen kommt es hier bei Menschen zu dem Gedanken: „Da habe ich wohl noch nicht genug davon getan!“ Wenn wir bei dem Beispiel des Wutausbruches bei Gehaltsverhandlungen bleiben, wird der Mensch aggressiver im völligen Unverständnis darüber, dass die Wahrscheinlichkeit des Erfolges weiter sinkt. Das Kind an der Quengelkasse jedoch bekommt seinen Schokoriegel. Hier unterscheidet sich der Deutungskompass der Individuen. Probate Mittel werden im interpersonalen Kontext eben anders bewertet.


Gehen wir jetzt wieder auf die Metaebene des Ganzen: ein Bedürfnis soll erfüllt werden. Der Trigger. Eine bisher konditionierte Handlung wird abgespult. Ein nicht gewünschtes Ergebnis tritt ein. Dies passiert wiederholt. Und hier beginnt nun die Möglichkeit sich den Freiraum zu schaffen, das Skript zu ändern.

Angefangen bei der Reflexion des Schlüsselreizes. Was löst dieser in mir aus? Warum löst er etwas in mir aus? Kann ich diesen Reiz gleichsam so bewerten, wie ich es zuvorgetan habe? Schon in diesem Schritt kann die Abfolge der weiteren Handlungen vorgenommen werden. Eine andere Wahrnehmung der Intensität des Triggers ermöglicht es die Stellregler der Umsetzungsintensität neu zu skalieren und eine Neubewertung der Handlungsintensität vorzunehmen.

Weiter kann in der Reflexion der bisherigen Folgehandlungen durch das Aussetzen einer unmittelbar vollzogenen Reaktion ein neues Handlungsmuster ausgearbeitet werden. Dies kann aus einer Evaluation der relevanten Rahmenbedingungen im Abgleich des angestrebten Zieles erfolgen. Oder im Kontext der sozialen du kulturellen Normen.


Wo ist nun die Freiheit der Handlung? Sie liegt im Verlassen der erlernten Strukturen. Wenn die Situation gewisse Schlüsselreize ausgibt, liegt es in nicht im Verantwortungsbereich der Umwelt sich auf uns einzustellen. Da Situationen meist unberechenbar sind wir Gefahr laufen immer wieder mit den gleichen Triggern konfrontiert zu werden, können wir Sklaven dieser Reize werden und diese vermeiden. Oder wir nehmen uns die Freiheit ein neues Handlungsspektrum bei Triggern zu modellieren und letztendlich resilienter zu werden. Wir erarbeiten uns neue Handlungsspannen als Alternativen zu dysfunktionalen oder toxischen Strategien und nehmen somit wieder das Steuer selbst in die Hand. Wir müssen nicht mehr auf die Situation und andere vertrauen, dass sie nicht der Zündfunke für explosive Reaktionen sind. Wir liefern der Situation einfach keine Sprengladung. Und hier liegt die Freiheit der Entscheidung!

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